Nr. 13 vom 28. März 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Häufiger schon haben wir uns an dieser Stelle mit dem Problem beschäftigt, dass negative Meldungen leichter geglaubt werden als positive. Wer über Schäden oder Belastungen berichtet, genießt mehr Vertrauen als derjenige, der über Dinge berichtet, die in Ordnung sind. Häufig unterbleibt die selbstkritische Frage, ob das, was man gerade verbreitet, wirklich stimmt, bevorzugt dann, wenn irgendetwas nicht in Ordnung zu sein scheint. Leider müssen wir bekennen, dass wir im zweiten Januarheft an dieser Stelle auch diesem allgemeinen Trend zum Opfer gefallen sind. Es ging damals um die haarsträubenden Schlussfolgerungen des Kieler Professors Wassermann aus der angeblichen "Tatsache", dass die Spermaqualität bei Männern schlechter geworden sei, während die Spermaqualität bei Bullen unverändert gut sei. Wassermann hatte die angebliche Verschlechterung beim Menschen dem chemischen Pflanzenschutz angelastet. Unser Problem ist jetzt, dass wir die angebliche Tatsache damals auch übernommen hatten, zumal uns auch andere Veröffentlichungen mit dieser Aussage bekannt waren. Wir haben damals selbst geschrieben: "Es ist die Spermaqualität beim Menschen wohl in der Tat gegenwärtig abnehmend". Kritisiert hatten wir nur Wassermanns Schuldzuweisung bezüglich Pflanzenschutz, denn zu den vermeintlichen Unterschieden bei Mensch und Rind passte die Annahme des Kieler Toxikologen wirklich beim schlechtesten Willen nicht.

Die meisten der diskutierten Ursachen für das vermeintliche Phänomen, so hatten wir dargelegt, sind typisch für den Menschen und gerade nicht typisch für Rinder. Rinder tragen keine zu engen Jeans und auch keine gefärbte Unterwäsche. Sie fahren auch nicht mit dem Fahrrad. Wassermanns behauptete Ursache, sich von den Produkten der deutschen Landwirtschaft zu ernähren, ist aber beiden gemeinsam, Mensch und Rind. Wassermanns These konnte also gar nicht richtig sein.

Nun gibt es inzwischen ernstliche Zweifel an den "Beweisen" für schlechteres Sperma, und die wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten. Das staatliche niederländische Forschungsinstitut für Gesundheit und Umwelt hat Berichten widersprochen, wonach sich die Qualität des Spermas nachweislich verschlechtert habe. Dies sei bisher durch keine Studie bewiesen worden.

Die niederländischen Wissenschaftler analysierten die 19 bedeutendsten derartigen Untersuchungen, die seit 1979 vorgenommen worden sind. Dabei stießen sie auf erhebliche Mängel. Oft seien Personen verglichen worden, die sich vom Alter und von ihrer gesundheitlichen Verfassung her stark unterschieden. Außerdem hätten die Mediziner zu wenig beachtet, ob die Männer rauchten, viel Alkohol tranken oder häufig unter Stress standen. Das Verfahren zum Zählen der Spermien, so war zu erfahren, habe sich außerdem im Laufe der Jahre verändert, was Vergleiche zusätzlich erschwere.

Nur vier Studien sind nach dem Urteil der niederländischen Forscher sorgfältig ausgeführt worden. Sie kommen jedoch zu widersprüchlichen Ergebnissen, die einen lieferten den angeblichen Beweis, die anderen das genaue Gegenteil. Es gebe daher derzeit keinen überzeugenden Beweis für eine Verschlechterung der Spermaqualität beim Menschen in den vergangenen Jahrzehnten. Dies ist eine klare Aussage eines Instituts, dessen Seriosität über jeden Zweifel erhaben ist. Eines der seriösesten Erzeugnisse in unserem Blätterwald hat darüber berichtet. Die weniger seriösen taten es nicht, vielleicht wollten sie sich nicht selbst die Grundlage dafür entziehen, bei nächster Gelegenheit wieder gründlich zuschlagen zu können, wenn das Thema erneut "dran" sein sollte. Die zu engen Jeans, die gefärbte Unterwäsche und auch das Fahrradfahren aber können wir aus dem Verdachtskatalog streichen.