Nr. 14 vom 4. April 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In Deutschland sind die Aufwandmengen bei Pflanzenschutz und Düngung seit mehreren Jahren rückläufig. Angesichts der weiter gestiegenen Erträge ist dies eine beachtliche fachliche Leistung der Bauern. Andererseits spiegelt sich darin auch die Tatsache wieder, dass Forschung und Entwicklung den Bauern dafür das geeignete Rüstzeug geliefert haben. Beides zusammen ist AGENDA 21 pur - unsere Bauern gehören eindeutig zu den Pionieren im Geiste von Rio - und es ist sicher damit zu rechnen, dass weitere Fortschritte zu erwarten sind.

Passt es in dieses Bild, dass weltweit die Statistiken bei Düngung und Pflanzenschutz eine andere Sprache sprechen? Handelt man dort gegen die Abmachungen von Rio? Immerhin sind die Zuwachsraten bei Pflanzenschutz z.B. in Südamerika in den zurückliegenden Jahren jeweils prozentual zweistellig gewesen, ein Umstand, der, hätten wir solche Zahlen bei uns, Stoff für Horrormeldungen liefern würde. Nicht ganz so stark, aber ähnlich ist es bei der Düngung. Zwar gingen die Verbräuche an Kalidünger auch weltweit zurück. Bei Stickstoff und Phosphat jedoch gab es bedeutende Zuwächse. Bei Stickstoff erhöhte sich der Verbrauch im letzten Jahr um sieben Prozent, von 73,59 Mio. t auf 78,74 Mio. t, während der Verbrauch in Deutschland nochmals –von 1,79 Mio. t auf 1,77 Mio. t - abnahm. Hier stellt sich tatsächlich die Frage, ob weltweit der Trend nicht etwa gegen die AGENDA 21 läuft. Dabei verkennen viele allerdings den Inhalt der AGENDA. Ihr Ziel ist nicht einseitig eine Verringerung von Düngung und Pflanzenschutz. Ziel der AGENDA 21 ist in erster Linie die Sicherung der Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung und dies bei möglichst wenig Düngung und Pflanzenschutz. In Ländern mit stark steigender Bevölkerung und in Hungerländern mit Aufholbedarf bei der Nahrungsproduktion können Zuwächse bei den Gesamtaufwandmengen deshalb durchaus normal sein. Die Steigerung des Stickstoffverbrauchs verläuft weltweit gegenwärtig gut doppelt so stark wie der Bevölkerungszuwachs. Der Verbrauch pro Kopf und Jahr steigt also weltweit, während er bei uns weiterhin leicht zurückgehen wird. Zur Zeit sind es bei uns 22,1 kg und weltweit 13,1 kg, die Werte liegen also gar nicht so weit auseinander, wie mancher denken mag. Langfristig werden sie sich weiter angleichen. Schreckensbilder, wie z. B. das von einer Autodichte in China oder Indien wie sie zur Zeit in USA oder Europa besteht, kann man im Bereich der Ernährungssicherung nicht zeichnen. Betrachten wir hierzu einmal die Aufwandseite: Zur Herstellung von Stickstoffdünger braucht man im wesentlichen Energie und Luftstickstoff, wobei der Luftstickstoff in unbegrenzter Menge zur Verfügung steht. Den Energiebedarf kann man in etwa mit 1 : 1 ansetzen, also 1 kg Heizöl für 1 kg Stickstoff. 22,1 kg Heizöl ist etwa die Menge, die so mancher Ölbrenner eines Einfamilienhauses in nicht einmal zwei Wintertagen durch den Schornstein schickt. Betreibt man damit einen Diesel-PKW, kommt man von Flensburg einmal nach Hamburg, aber nur bei sparsamster Fahrweise auch zurück. Für den gesamten Weltverbrauch an Stickstoffdünger wird etwa die Energiemenge benötigt, die allein in Deutschland die Benzin- und Dieselmotoren verbrennen.

Selbstverständlich muss der Stickstoffdünger so eingesetzt werden, dass möglichst viel dem Wachstum der Pflanzen dient und möglichst wenig "daneben" geht. Wir sind in dieser Hinsicht bei fallenden Aufwandmengen und steigenden Erträgen auf einem guten Weg. Die Forschung, die diesen Trend bei uns ermöglichte, hat deshalb auch eine wichtige Aufgabe für die Dritte Welt, die über die Hauptaufgabe der Ernährungssicherung noch hinausgeht. Die Hauptaufgabe besteht darin, alle satt zu machen. Wenn dies aber so umweltverträglich wie möglich geschehen soll, wird es ohne die Agrarforschung in den sogenannten reichen Ländern und moderne Technologien nicht zu machen sein.