Nr. 21 vom 23. Mai 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Wer sich fragt, wieso die Diskussion um die Gentechnologie so über alle Maßen angeheizt ist, sollte seinen Blick zunächst auf den Aspekt lenken, der am sichersten zum Ziel führt. Er sollte

sich eine Frage stellen, die nahe liegt, die Lateiner nennen sie "cui bono?", auf deutsch "wem nützt es?". Über die Spendenetats bestimmter Organisationen hatten wir uns dazu an dieser Stelle schon Gedanken gemacht. Jüngst aber hat sich eine Sache zugetragen, bei der nun wirklich jedes Maß an gutem Geschmack überschritten ist. David Rolfe heißt der Mann, um

dessen Äußerungen es hier geht. Er ist Drehbuchautor und Chef einer Londoner Produktionsfirma. Eine Gänsehaut bekomme er bei dem Gedanken an die machtpolitischen Implikationen eines geklonten Jesus, so soll er gesagt haben.

Eine Gänsehaut bekommt dieser Mann bestimmt nicht. Wer ein so dickes Fell hat, dass er ein solches Thema auf derart geschmacklose Weise angeht, kann überhaupt keine Gänsehaut bilden. Um es vorwegzunehmen, der Mann macht einen Film nach der Art von Jurassic Park, in dem es um einen aus Blutkörperchen des Turiner Leichentuchs geklonten Jesus geht, und diesen Film will er so teuer wie möglich verkaufen, "cui bono?".

Es ist schon ein Skandal an sich, überhaupt einen solchen Film zu machen. Schlimmer wird es aber dann, wenn Filmemacher den Eindruck erwecken, es gehe hier um etwas anderes als reine Science Fiction, um etwas, was einen wirklichen Realitätsbezug hat. Selbst, wenn es möglich sein sollte, ein solches Klon herzustellen, wäre das Ergebnis nicht Jesus. Es wäre allenfalls so etwas wie ein eineiiger Zwillingsbruder, der dem anderen Zwilling jedoch weit weniger ähnlich wäre, als es bei eineiigen Zwillingen in üblicher Weise der Fall ist. Denn, nicht einmal das gleiche Alter, geschweige die gemeinsame Jugend und Zeit im Mutterleib wären hier gegeben. Auch das Bewusstsein wäre ein verschiedenes, wie es bei eineiigen Zwillingen stets der Fall ist, da sie getrennte verschiedene Gehirne mit unterschiedlicher Bewusstseinsbildung haben. Es wäre eindeutig ein anderer Mensch, wenn auch in vielen Merkmalen ähnlich. Das wichtigste aber ist: es ist schlicht unmöglich, aus toter Substanz, wie es die Blutreste am Turiner Leichentuch – wenn es denn überhaupt echt ist – seit 2000 Jahren

sind, ein Klon herzustellen. Selbst im Falle des Schafes "Dolly" gibt es unter Wissenschaftlern verbreitete Zweifel, ob die Geschichte wahr ist. In dem Fall ist es aber immerhin denkbar, da es hieß, es sei ein lebender Zellkern verwendet worden. Die Zweifel bei Dolly gründen sich hauptsächlich auf zwei Aspekte; einmal darauf, dass die Kerne von Körperzellen dem Verschleiß unterliegen und deshalb als Kerne einer Eizelle womöglich ungeeignet sind. Zum anderen wird bezweifelt, dass es möglich ist, die Spezialisierung einer Körperzelle "zurückzudrehen". Zusammen genommen wird man also sagen müssen, dass die Geschichte aus London nicht den geringsten Realitätsbezug hat.

Nun sagt man ja, dass jede Sache, sei sie auch noch so schlecht, daneben stets eine gute Seite hat. Vielleicht kann man das auch für die haarsträubende Geschichte des Herrn Rolfe sagen. Vielleicht trägt sie dazu bei, den unbedingt nötigen Trennungsstrich zwischen Eingriffen in die Keimbahn des Menschen einerseits und allen übrigen gentechnischen Unternehmungen noch mehr zu verdeutlichen. Rolfes Geschmacklosigkeit entschuldigt das aber nicht. Und wenn der Londoner Filmemacher dazu beigetragen haben sollte, das allgemein verbreitete und von Fachwissen ungetrübte Unbehagen anzuheizen, ist das scharf zu kritisieren.