Nr. 23 vom 6. Juni 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Vor zwei Jahren haben offizielle Vertreter der Brüsseler Kommission speziell der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft bestätigt, sie habe "einen Umweltstandard, wie er von großen Teilen der Europäischen Union frühestens in zehn bis 15 Jahren einholbar" sei. Damals sind die Vorsitzenden der schleswig-holsteinischen Kreisbauernverbände, denen man das in Brüssel so gesagt hatte, in der Hoffnung nach Hause gefahren, dass Brüssel zukünftig unsere hohen Umweltstandards berücksichtigt würde. Schon damals war die Verbindung der Ausgleichszahlungen mit Umweltauflagen als zukünftige agrarpolitische Variante im Gespräch. Forderung des Bauernverbandes war es stets, in Europa für gleiche Umweltstandards zu sorgen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und eine Selbstverständlichkeit, dass eine Politik, die zu mehr Wettbewerbsverzerrungen führt, strikt abzulehnen ist.

Dies alles müssen diejenigen wissen, die bei den Überlegungen der Agenda 2000 zu dieser Thematik reine Freude empfinden. Aus Sicht des Naturschutzes kann man eine solche Freude durchaus haben, zumal in einem Bundesland, das bisher finanziell so entsetzlich wenig für den Naturschutz getan hat. Endlich, so hört man in Naturschutzkreisen, tut sich hier eine Finanzierungsquelle auf, die auch für die Kieler Landesregierung akzeptabel ist, nach dem Motto ". . . mein Finanzminister hat keinen Pfennig dazu bezahlt". Aus Sicht des landwirtschaftlichen Berufsstandes bringt diese neue Politik jedoch massive Probleme.

Denn die Agenda will die Kriterien, nach denen ein Teil der Mittel für die Ausgleichszahlungen verteilt werden soll, in die Kompetenz der nationalen Staaten oder gar der Bundesländer legen. Da wird es mit Sicherheit einige Staaten geben, die die Mittel zur Förderung ihrer Rindfleischerzeuger einsetzen werden. Andere werden notleidende Olivenbauern unterstützen oder grundsätzliche Agrarstrukturprobleme lösen wollen; wiederum andere haben den Export von Getreide als Devisenquelle im Auge, und dies sämtlich allenfalls mit einem Deckmantel des Umweltschutzes. In Deutschland jedoch sprechen Politiker nur von Umweltkriterien, als gäbe es all die anderen Aspekte gar nicht. Insbesondere angesichts der hohen Umweltstandards bei uns ist das zumindest unausgewogen.

Als Bauern müssen wir aber verstehen, dass in Naturschutzkreisen die neue Finanzierungsquelle beliebt ist. Wir können nicht von vornherein erwarten, dass dort unsere Sorgen in vollem Umfang nachvollzogen werden. Um so wichtiger ist es, Aufklärungsarbeit zu leisten. Jedes Gespräch mit außerlandwirtschaftlichen Gesprächspartnern, in dem diese Thematik sich anbietet, sollte genutzt werden, um eines ganz klar herauszustellen: Schon heute haben unsere Bauern Wettbewerbsnachteile aus Umweltschutzgründen. Die neue Politik wird dazu führen, dass anderswo den Bauern Geld zur wirtschaftlichen Stabilisierung ihrer Betriebe gegeben werden wird, und dass aus demselben Topf bei uns nur dann etwas zu bekommen sein wird, wenn zusätzliche Umweltauflagen erfüllt werden. Zusätzliche Wettbewerbsverzerrungen sind damit programmiert.

Klar sein muss auch, dass es sich bei der neuen Variante nicht um Vertragsnaturschutz handelt. Vertragsnaturschutz heißt, dass ein Landwirt zum Ausgleich von wirtschaftlichen Einbußen Geld für Leistungen zum Naturschutz bekommt. Die neue Politik wäre für unsere Bauern aber etwas anderes: Im wirtschaftlichen Vergleich mit der Masse der Berufskollegen in Europa würden sie mehr für den Naturschutz leisten müssen bei gleichem Geld, oder finanziell schlechter gestellt werden. Vertragsnaturschutz bedeutet, dass man bei wirtschaftlicher Gleichstellung die Wahl hat, für die Natur zusätzlich etwas zu leisten oder eben nicht. Unseren Bauern wird nur die Wahl zwischen mehr Kosten oder weniger Einnahmen bleiben, im Vergleich mit den europäischen Berufskollegen also die Wahl zwischen Teufel und Beezlebub.