Nr. 38 vom 19. September 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Unter dem Titel "Lexikon der Ökoirrtümer" gaben vor einigen Monaten Dirk Maxeiner und Michael Miersch im Eichborn-Verlag ein Buch heraus, in dem es um überraschende Fakten zu den verschiedensten Umweltthemen geht. Es hat große Beachtung gefunden, auch an dieser Stelle konnte daraus zitiert werden. Die Autoren sind schließlich nicht irgendwer, sondern beide als Autoren in verschiedenen Natur- und Umweltzeitschriften seit langem bekannt.

Fast ebenso interessant wie das Buch ist die Welle von Reaktionen, die es ausgelöst hat. Einige waren noch ganz von der alten Art, nach dem Motto: Mach mir meine Sensationsgeschichten nicht kaputt! So z.B. eine Stellungnahme in der Süddeutschen Zeitung, die den beiden Buchautoren vorwarf, sie hätten die "Fakten außer acht gelassen". Güven Purtul als Verfasser der Stellungnahme macht dabei selbst nichts anderes. Ob Maxeiner eine seiner Quellen zum Thema Klimaproblem nicht hinreichend kritisch überprüft hat, müssen wir dahin stehen lassen. Jedenfalls setzt Purtul sich dafür mit allen übrigen Hinweisen Maxeiners nicht auseinander. Es ist besonders bezeichnend, dass er die von Maxeiner dargestellten Mitteltemperaturen von Berlin-Dahlem ignoriert. Maxeiner arbeitet heraus, dass die meisten Temperaturaufzeichnungen ca. 130 Jahre zurückgehen, und dass für diesen Zeitraum zwar ein klarer Anstieg der Temperaturen zu verzeichnen ist. In Berlin sind die Aufzeichnungen aber 160 Jahre älter, und vor 290 Jahren war es in Berlin so warm wie heute. Hinzu kommt, dass der Temperaturabstand zwischen den Städten und den ländlichen Räumen inzwischen gestiegen ist und es deshalb heute auf dem flachen Land um Berlin eigentlich kälter sein müsste als vor 290 Jahren. Für das Weltklimaproblem mag dieser Einzelaspekt nicht ganz so wichtig sein, aber Beachtung hätte er schon verdient.

Abgewogener ist Ministerin Angela Merkel mit dem Buch umgegangen. Sie sagt zwar, es sei nicht ganz frei von Vorurteilen; Frau Merkel bestätigt aber auch, dass Maxeiner und Miersch eines gut herausgearbeitet haben. Merkel: "... eine kritische Bestandsaufnahme und eine neue Herangehensweise frei von ideologischen Glaubenssätzen, lähmenden Katastrophenszenarien und der Jagd nach dem Schadstoff der Woche." Zum Thema Klimawandel warnt sie zwar vor vorschnellen Schlüssen, aber sie verzichtet auch in diesem Punkt auf die Diskriminierung der beiden Autoren.

Besonders bemerkenswert ist die Stellungnahme des Bundesvorsitzenden des BUND, Hubert Weinzierl. "Vielleicht hätten die Umweltverbände ein Buch dieser Art selber schreiben sollen." Dahinter verbirgt sich, an anderer Stelle noch deutlicher ausgesprochen, die Erkenntnis, dass es im Umweltschutz beachtliche Erfolge gibt, die man ruhig schon früher hätte verkaufen können. "... sie zeigen eindrucksvoll, wie viel Schutz von Mensch und Umwelt durch die Wachsamkeit und die Arbeit ,der’ Umweltschützer möglich geworden ist...".

Aber zurück zum Klimaproblem: Eine Stellungnahme gibt einem hier nämlich ganz besonders zu denken, die des Klimaforschers Prof. Hans.-J. Schellnhuber. Zum Thema seines Faches hat er für Maxeiner nur 40 Zeilen Polemik. Er sagt nichts zur Sache außer zum Schluss, die Autoren hätten den Unterschied zwischen Wettervorhersage und Klimavorhersage nicht verstanden, und auch diese Feststellung trifft er ohne Begründung. Wenn ein bisher als renommiert geltender Wissenschaftler sich bei einer Stellungnahme so gehen lässt, entsteht der Eindruck, dass er an einem besonders empfindlichen Nerv getroffen worden sein muss. Wir müssen dahingestellt lassen, ob er sich entlarvt gesehen hat, oder ob Maxeiner so daneben lag, dass Schellnhuber nicht anders als gereizt zu reagieren vermochte. Vielleicht hat uns Maxeiner eine Neuauflage des Märchens von des Kaisers neuen Kleidern geliefert?