Nr. 43 vom 24. Oktober 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

"Völlig inakzeptabel ist es, dass der Begriff der "nachhaltigen Nutzung" verengt wird auf die Bedeutung, die dieser Begriff in der Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt der Erde hat. Unkritisch und fehlerhaft wird diese Bedeutung u. a. auf die AGENDA 21 übertragen, in der es zwar auch um die biologische Vielfalt geht, hauptsächlich aber und im Kern um die Nachhaltigkeit der Nutzbarkeit der genutzten Naturgüter unmittelbar, u. a. und insbesondere des Bodens." So heißt es in der vor einem Vierteljahr abgegebenen Stellungnahme des Bauernverbandes zum Entwurf eines Landschaftsprogramms.

Ja, eine Verengung des Begriffes der Nachhaltigkeit fast auf den reinen Bereich der Umweltverträglichkeit, wie sie im Landschaftsprogramm vorgenommen wird, stellt eine Missbrauch dar und eine Verfälschung der Grundsätze der AGENDA 21. Ein Landschaftsprogramm in der vorliegenden Form muss deshalb zu einer sachfremden Diskussion um die AGENDA 21 führen. Entlarvend ist es, dass die willkürliche Bedeutungsübertragung sogar für die Forstwirtschaft vorgenommen wird. Jedermann weiß, dass der Begriff der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft stammt und dort eindeutig die nachhaltige Nutzbarkeit selbst und unmittelbar gemeint ist. Die Erfinder des Begriffes der Nachhaltigkeit haben nicht an die Begleitflora und -fauna der Bäume gedacht, allenfalls dann, wenn sie für eine nachhaltige Nutzung von Bedeutung sind. Gedacht haben sie sicherlich auch an eine gewisse Vielfalt der Baumarten, soweit dies Kennzeichen der Standort-Gerechtigkeit ist. Aber eine möglichst große Artenvielfalt mit den Augen des heutigen Artenschutzes, so haben sie es nicht gesehen. Dann nämlich hätten sie ihre Wälder kahl schlagen müssen, in unseren Breiten ist der natürliche Wald eine artenarme Pflanzengesellschaft. Der nacheiszeitliche Wald hatte eine weit geringere Artenvielfalt als unsere heutige Landschaft, auch wenn viele deren Armut beklagen.

Irreführend ist es auch, wie der Gedanke zur Nachhaltigkeit aus dem Entwurf auf die Jagd übertragen wird. Die Jagd ist nachhaltige Nutzung in ihrer ältesten und reinsten Form. Es ist deshalb geradezu abwegig, wenn es im Entwurf aus dem grünen Umweltministerium wie folgt heißt: die Jagd "ist in heutiger Zeit zum Nahrungserwerb ... nicht mehr zwingend erforderlich. Aufgrund dieses Wandels orientiert sie sich umfassender an dem Prinzip der nachhaltigen Nutzung". Wenn man über Nachhaltigkeit und Artenvielfalt spricht, muss man bedenken, dass bei nicht wenigen Arten man nur das eine oder das andere haben kann, es gibt in vielen Fälle einen echten Gegensatz zwischen beiden Begriffen. Jedermann weiß, dass eine

große Zahl von Arten deshalb heute auf den Roten Listen steht, weil die Nährstoffversorgung

ihrer Standorte verbessert wurde. In Naturschutzprogramme werden deshalb Regelungen eingebaut, die eine Aushagerung von Flächen zur Folge haben, häufig sinnvolle Maßnahmen im Sinne der Artenvielfalt. Mit Nachhaltigkeit hat das aber wenig zu tun, denn immerhin wird hier die Nutzbarkeit wie bei jeder Extensivierung verringert. Außerdem geht es dabei sehr häufig um den Schutz von Arten, deren frühere Ansiedlung durch das genaue Gegenteil von nachhaltiger Nutzung, durch Raubbau nämlich, bewirkt wurde.

Wir können uns Naturschutz im Sinne von Artenvielfalt leisten, weil wir genug zu essen haben. Die deutsche Landwirtschaft kann Deutschland zwar nicht alleine ernähren, aber wir haben genug Devisen, um Nahrungsgüter zu importieren. Deshalb sollten wir uns auch den einen oder anderen ausgehagerten Standort leisten. Aber, mit nachhaltiger Nutzbarkeit hat das eben nicht viel zu tun. Es wäre gut, wenn das bei der angekündigten grundlegenden Überarbeitung des Landschaftsprogramms berücksichtigt würde.