Nr. 48 vom 28. November 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Seit mehreren Jahren schon verstehen die Menschen an der Westküste die Welt nicht mehr. Da werden ihnen z.B. unter dem mit einem Heiligenschein garnierten Wort "Nachhaltigkeit" Maßnahmen auferlegt, die das genaue Gegenteil von Nachhaltigkeit sind. Eine der nachhaltigsten Nutzungsformen ist die Jagd, die aber wird vor dem Deich verboten. Ebenso blütenrein nachhaltige Nutzung ist die Schafbeweidung der Salzwiesen, auch sie wurde weitgehend aufgegeben. Ähnlich erging es einer der nachhaltigsten Formen der Beschaffung von Baumaterial: Material für den Deichbau wurde früher vor dem Deich gewonnen, wo es mit der Zeit wieder nachwuchs. Heute entnimmt man es binnendeichs und beseitigt an den Entnahmestellen die landwirtschaftliche Nutzbarkeit nachhaltig. Das also ist die neue Nachhaltigkeit.

Die Menschen an der Westküste verstehen die Welt auch deswegen nicht mehr, weil ihnen zunehmend unqualifizierte Kritik entgegengehalten wird. Ein großer Teil der Unruhe zum sogenannten Synthesebericht hatte darin seine Wurzeln. Was soll man davon halten, wenn in einer Schrift z. B. an einer Stelle beklagt wird, das Verhältnis von Stickstoff und Phosphor sei in der Nordsee zu weit, während es an anderer Stelle als zu eng bezeichnet und beides beklagt wird? Eine Fülle von unberechtigten Anklagen gegen die Landwirtschaft war im Synthesebericht zusammengestellt und brachte die Bauern auf die Palme. Immer wieder haben sie betont, die wirklichen Bedrohungen kämen von ganz woanders.

Ein Beispiel dafür haben wir jetzt beim Fall Pallas. Hier hatte die Landesumweltpolitik die Gelegenheit zu zeigen, wie sie mit wirklichen großen Umweltproblemen umgeht. Sie hat es gezeigt und dabei ein mehr als trauriges Bild abgegeben. Das heißt, zunächst hat sie gar nichts gezeigt. Vier Tage, nachdem er über die Havarie des Frachters informiert worden sei, sei in seinem Ministerium über Konsequenzen gesprochen worden, hat Umweltminister Steenblock erklärt! Und als die Politiker dann nach langer Zeit endlich vor Ort waren, konnten sie sich nicht einmal auf eine Fahrgemeinschaft einigen. Wach wurden die Erinnerungen an die unglückselige Hubschrauberlandung des Umweltministers zu Beginn seiner Amtszeit. Es ist eben doch ein Unterschied, ob man die Gebetsmühlen spendenorientierter Vereinigungen drehen hilft, oder ob es um die Lösung wirklicher Probleme geht. Herausgekommen ist immerhin ein Aufruf der Grünen: "Wir Grünen fordern einen aktiven Beitrag der Staatskanzlei zur Verbesserung der Kommunikation zwischen beiden Regierungsparteien."

So viele Fehler und Pannen, wie bei dieser Havarie gemacht worden sind, hätte kaum jemand für möglich gehalten. Es fehlte schlicht eine schnelle, straff geführte und effektive Einsatztruppe, wie sie die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste immer wieder gefordert hat und wie sie z.B. an der französischen Atlantikküste existiert. Dem Vernehmen nach sind Bemühungen in diese Richtung bisher gescheitert, weil die Länderminister nicht bereit waren, für eine zentrale schlagkräftige Einrichtung auf Kompetenzen zu verzichten (wir berichteten darüber in der letzten Ausgabe).

Für die Menschen an der Westküste bleiben Probleme auch für die Zeit, nachdem das letzte Öl beseitigt sein wird. Die Strände werden zur nächsten Feriensaison wieder sauber sein. Aber das Vertrauen in die Umweltpolitik des Landes hat einen zusätzlichen Riss bekommen. Die Menschen hinter den Deichen erwarten mehr als Landschaftspläne, Landschaftsprogramme, Syntheseberichte, FFH-Anmeldungen und Schutzgebietsauflagen. Und sie erwarten, dass endlich ein Umdenken im Bereich der echten und der vermeintlichen Risiken eintritt, eine Neuorientierung des Umweltdenkens.