Nr. 3 vom 23. Januar 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann!" Vor eineinhalb Jahren hatten wir an dieser Stelle diese "Weissagung der Cree", die angeblich in einer Rede des Indianerhäuptlings

Seattle vorgekommen sein soll und heute auf Aufklebern Autos hierzulande ziert, zum Thema gemacht. Er verdichtet auf eineinhalb Zeilen das Klischee vom schlimmen Europäer, der nichts anderes im Sinn hat, als die Umwelt zu zerstören und vom edlen Wilden, der uns als Vorbild hingestellt wird. Die tausendfach zitierte Rede Seattles stammt in Wirklichkeit aus der Feder des amerikanischen Drehbuchautors Ted Perry, der sie in den 70er Jahren für einen

Film über Umweltschutz verfasst hat.

Damals stellten wir Ihnen eine ganze Reihe von Beispielen vor, die zeigten, dass die weisen Indianer, die sanften Südseeinsulaner und andere edle Wilde leider mehr europäischen Wunschphantasien als der Realität entspringen. Ein weiteres und völlig überraschendes Beispiel dieser Art hat ein amerikanisches Forscherteam jüngst der Öffentlichkeit vorgestellt. Wer über Menschen redet, die eine besonders naturnahe Lebensweise pflegen, kommt unweigerlich auf die sogenannten Aborigines, die Ureinwohner Australiens, zu sprechen. Ihnen sagt man zu Recht nach, dass sie in einer für uns gänzlich unvorstellbaren Weise an das Leben in der kargen Wildnis ihres Landes angepasst sind und mit ihren feinen Sinnen Naturvorgänge erfassen können, die sich für uns niemals erschließen würden.

Wie die amerikanischen Forscher darlegen, muss das aber nicht heißen, dass die Aborigines bzw. ihre Vorfahren auch immer besonders schonend mit der Natur umgegangen sind. Die Amerikaner stützten sich dabei auf eigene Untersuchungen und auf umfangreiche Forschungsergebnisse, die in der Universität von Canberra von australischen Forscherkollegen bereits vorlagen. Vor über 50000 Jahren war die australische Tierwelt besonders im Bereich der großen Tiere sehr viel reicher als heute. So gab es einen riesigen Straußenvogel, es gab allein 19 Arten von Beuteltieren mit über 100 kg Gewicht, es gab einen flusspferdgroßen Verwandten des noch heute existierenden Wombats, eine acht Meter lange und fast einen Meter breite Schlange sowie eine Schildkröte von der Größe eines VW- Käfers.

Sie alle starben innerhalb relativ kurzer Zeit aus, nachdem die Aboriginers erstmals auftauchten.

Die Forscher gehen davon aus, dass die reiche Tierwelt ein Opfer der Aborigines wurde. Man nimmt zwar nicht an, dass die Tiere bei der Jagd erlegt wurden; aber die Tiere starben an Nahrungsmangel. Die Menschen hatten die Angewohnheit, ihre Umwelt häufig und großflächig abzubrennen mit dem Ziel, bestimmte Nahrungspflanzen zu fördern. Dabei zerstörten sie nicht nur die Lebensgrundlagen der großen Pflanzenfresser sondern wohl auch ihre eigenen. Hierzu Prof. Gifford Miller von der Universität von Boulder: "Vermutlich unterschieden sich die systematischen Brände der ersten Siedler soweit von den natürlichen Bränden, dass sie in wichtigen Ökosystemen den Schwellenwert überschritten und eine Neubelebung unmöglich machten." Es spricht einiges dafür, dass die Neusiedler die Lebensfeindlichkeit erst schufen. In diesem riesigen Land, das fast so groß ist wie Europa bis

zum Ural, sollten später nicht mehr Menschen eine Existenzgrundlage finden, als heute in Kiel oder Lübeck leben. Und man wird wohl davon ausgehen müssen, dass die von uns bewunderte Fähigkeit der Aborigines, mit fast nichts auszukommen, nicht bei der Einwanderung schon vorhanden war, sondern das Ergebnis eines grausamen Selektionsprozesses ist, nachdem die Lebensgrundlagen zerstört waren.