Nr. 5 vom 6. Februar 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Hier und an anderen Stellen im "Bauernblatt" wurde gelegentlich darauf hingewiesen, dass die Agenda 21 den Schutz der Natur um ihrer selbst willen nicht kennt, ebenso wenig übrigens wie das deutsche Grundgesetz. Es geht lediglich um den Schutz der Natur als Lebensgrundlage für den Menschen. Wenn der Kieler Entwurf eines neuen Nationalpark-gesetztes jetzt eine Bestimmung enthält, die den Schutz der Natur um ihrer selbst willen regelt, kommt hier das Gesetz als Trojanisches Pferd daher, das eine verfassungswidrige Bestimmung und einen Verstoß gegen die Agenda 21 enthält. Es ist der quasi heimliche Versuch, dies in die deutsche Gesetzeslandschaft einzuschleusen. Das Wattenmeer soll nach dem Willen der Landesregierung ganz offenbar nicht für, sondern gegen die Menschen geschützt werden.

Nationalparkgesetz, Synthesebericht, Landesnaturschutzgesetz und andere Vorschriften sowie deren Folgen haben schon bisher einen menschenfeindlichen Film über Nordfriesland, Dithmarschen und ihr Wattenmeer gezogen. Eine nachhaltige Nutzungsform nach der anderen wurde aufgegeben oder eingeschränkt. Wenn man die Schafe zunehmend über die Deiche landeinwärts zurückdrängte, übersah man, dass es sich hier um eine traditionelle Nutzung handelte, die in dieser Form seit vielen Jahrhunderten läuft. Man weiß, dass die Menschen dort schon siedelten, als das Meer erstmals Zugang zum heutigen Wattenmeer fand, und die Schafe waren – auch dessen ist man sich sicher – von Anfang an dabei. Man geht sicherlich nicht zu weit, wenn man sagt, dass die Schafe den Westküstenbereich maßgeblich mitgestaltet haben. Heute meint man, zunehmend auf sie verzichten zu können. Wird den Verantwortlichen vorgetragen, die Schafe seien ein probates Mittel zur Vermeidung der Flächenerosion, lenken sie ab und sprechen über Kantenerosion. Wenn man vor Überprüfung aller Erkenntnisse seine Meinung schon festgelegt hat, muss man wohl zu solchen Ablenkungstricks greifen? Man übersah auch, dass es sich bei der Schafbeweidung vor den Deichen um eine landwirtschaftliche Nutzungsform handelte, wie sie nachhaltiger nicht sein konnte. Der Betriebsmitteleinsatz für die Schafbeweidung ist so gering, dass man nach Beispielen mit noch weniger Einsatz lange suchen kann. Wenn Menschen, die sich in Lippenbekenntnissen für die Grundsätze der Agenda 21 aussprechen, eine solche Nutzungsform nicht wollen, ist das schlicht widersprüchlich. Was kann z. B. auch nachhaltiger sein als eine jagdliche Nutzung, bei der die Einhaltung vorhandener Populationsgrößen zu den festen Regeln gehört. Wer die Jagd abschafft, verhält sich auch damit unter der Verpflichtung zur Agenda 21 widersprüchlich. Und liest man hierzu den Synthesebericht, gewinnt man zudem den Eindruck, dass es nicht nur gegen die Jagd, sondern auch gegen die Jäger geht. Es heißt wörtlich: "Jagd macht Tiere scheu. Die Scheu vor dem Jäger übertragen die Tiere auf den Menschen in der Landschaft." Man wird diesen Satz so deuten müssen, dass nach Ansicht der Autoren des Syntheseberichts die Jäger nicht zu den Menschen gehören. Ansonsten hätte man wohl von den "übrigen Menschen" sprechen müssen, ein "Freudscher Verschreiber"? Man könnte die Reihe der Beispiele der Abkehr von nachhaltigen Nutzungsformen fortsetzen, die Verringerung der Fischerei und der Beerntung von Muschelbänken und nicht zuletzt der Verzicht auf die nachhaltigste denkbare Form der Materialentnahme, nämlich die Entnahme von Material für den Deichbau vor dem Deich, wo es immer wieder nachwächst.

In der Praxis der Verstöße gegen das Prinzip der nachhaltigen Nutzung ist man also schon ganz schön weit, und als wenn das alles noch nicht genug wäre, soll jetzt auch noch eine verfassungswidrige Bestimmung über den Schutz der Natur um ihrer selbst willen in das Nationalparkgesetz hinein. Von den Nutzungen, die man jetzt peu à peu abschafft, gingen für die Landschaft Wattenmeer keine Gefahren aus. Im Gegenteil, sie prägten ihr Wesen. Die Gefahren kommen woanders her; aber wir wollen hier nicht nochmals auf die "Pallas" eingehen. Hoffen wir nur, dass die Verantwortlichen einiges gelernt haben, und falls nicht, dass dies bald geschieht.