Nr. 8 vom 27. Februar 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

"Die Alternative zur Kernenergie ist nicht die Klimakatastrophe", so hat der grüne Umweltminister Jürgen Trittin in seinem jüngsten Bericht für den Umweltausschuss des Deutschen Bundestages formuliert. Vielmehr sei die Alternative zur Kernenergie eine Effizienzverbesserung (gemeint ist die Einsparung von Energie) und die Nutzung erneuerbarer Energien. Für viele, die auf z. B. Windenergie oder Biomassenutzung setzen, enthält diese Aussage eine durchaus gute Nachricht und Sparsamkeit ist ohnehin vernünftig. Gleichwohl gibt es zu Äußerungen dieser Art etliche Fragezeichen. Es gibt Zweifel, ob der weltweit permanent steigende Energiebedarf ohne Kernenergie gedeckt werden kann. Auf die internationalen Irritationen, die die insgesamt konfusen Darstellungen der Bundesregierung in diesem Bereich ausgelöst haben, sei hier nur kurz hingewiesen und auch auf die Befürchtungen der deutschen Wirtschaft wegen drohender Wettbewerbsverzerrungen. Wir können und wollen diese Frage in einem landwirtschaftlichen Fachblatt nicht abschließend diskutieren.

Das eigentlich Beunruhigende sind auch gar nicht die unterschiedlichen Auffassungen, wie sie z. B. innerhalb der Bundesregierung bestehen. Besonderen Anlass zur Sorge gibt die Verbohrtheit und Widersprüchlichkeit als Hintergrund der Haltung zur Kernenergie im Lager der Grünen. So war gerade im Zusammenhang mit dem jüngsten Streit auf höchster Ebene von Trittins Leuten immer wieder zu hören, man wäre der Erreichung der Klimaziele sogar schon wesentlich näher, wenn es die Kernenergie nicht gegeben hätte. Denn die billige Kernenergie habe falsche Signale gesetzt, so die Grünen, die jetzt immerhin in höchster Regierungsverantwortung sind.

Das muss man sich einmal in Ruhe klarmachen: Wer so redet, glaubt also daran, dass der ohne Kernenergie vielleicht etwas höhere Strompreis so viele Anreize zum Energiesparen gegeben hätte, dass insgesamt nicht etwa mehr, sondern weniger Kohle, Erdöl etc. verbrannt worden wären. Man kann doch nicht auf der einen Seite argumentieren, die Kernenergie sei verzichtbar, sie liefere ohnehin nur Strom und auch dort nur einen Teil der Versorgungsmenge, und auf der anderen Seite annehmen, ein höherer Strompreis hätte die Menschen zu Einsparungen z. B. bei Heizöl oder Benzin veranlasst. Und dies in einem Ausmaß, das über die gesamte Kernenergiemenge hinausgeht. Bei so viel innerer Widersprüchlichkeit kann einem wirklich bange werden. Hier war ganz offenbar die Meinung fertig, bevor die Argumente geprüft wurden. Die Argumente dienen dann nur noch der Begründung einer vorgefassten Meinung und werden beliebig weit, weit hergeholt. Zu diesem ideologisch geprägten Bild passt auch die Haltung der Grünen zum Thema Endlagerung. Wer für den endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie ist, muss nach den Regeln der Logik auch ein Konzept zur endgültigen Lagerung dessen entwickeln, was heute schon an Abfall da ist. Auch hier aber sind die Antworten der Grünen unbefriedigend. Das Phänomen der "Vorprägung" von Meinungen gibt es nicht nur bei der grünen Partei. Als das Darmstädter Ökoinstitut vor einiger Zeit der Verbrennung von Kunststoffmüll in Stahlhochöfen eine gute Ökobilanz ausstellte, war das Umweltschützern gar nicht recht. Das Verfahren laufe dem Gedanken der Abfallvermeidung zuwider, argumentierte Bernd Langer vom BUND in Bremen und meinte: "Besser wäre es, aus dem Hochofen käme tatsächlich Dioxin." Auch dies ist eine Kostprobe der Denkweise, bei der die Meinungen vorher fertig sind. Im Fall der Müllverbrennung passte der unerwartet positive Befund nicht dazu und musste irgendwie wegdiskutiert werden. Das grundsätzlich gute Prinzip der Abfallvermeidung wurde zur Ideologie erhoben und das um den Preis einer offen gebilligten und sogar gewünschten Vergiftung von Menschen.