Nr. 10 vom 13. März 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Das wichtigste Schlüsselwort der engagierten Umweltbotschaft ist das Wort "noch". Das Wörtchen "noch" ist ein kleiner sprachlicher Tausendsassa, der die tollsten Effekte erzielt. Nehmen wir mal einen Beispielssatz: " Vor der Küste Floridas tummeln sich die Delphine." Der Satz ist irgendwie zu gut und könnte aus dem Neckermann-Reisekatalog stammen. Fügen wir also unsere kleine Wunderwaffe ein: "Vor der Küste Floridas tummeln sich noch die Delphine."

Nehmen wir einen anderen Satz dieser Art, wie er jüngst tatsächlich in einer Pressemitteilung des World Wide Fund for Nature (WWF) vorkam. Es ging dabei um die Antarktis, unter den sechs Kontinenten vor Europa und Australien der viertgrößte. In der Tageszeitung "Die Welt" stand es unter der Überschrift "Warnung vor zu vielen Touristen in der Antarktis" zunächst so: "Mit Sorge beobachtet Cassandra Philipps anlässlich des Ministertreffens der Antarktisvertragsstaaten den boomenden Antarktistourismus. Nach Angaben der Mitarbeiterin des WWF machen die rund 10000 Besucher im Jahr noch keine großen Probleme."

Im Klartext: Es gibt offenbar keine großen Probleme, aber das Wörtchen "noch" hat schon seine Wirkung entfaltet. Nachfolgend heißt es dann: "Aber da alle Touristen innerhalb weniger Monate die gleichen Stellen auf dem sechsten Kontinent besuchen, um Pinguine und Robben zu beobachten, werden in Zukunft Störungen auftreten. Insbesondere wenn die Zahl der Antarktisreisenden weiter wie bisher zunimmt." WWF beschreibt hier also weniger einen Zustand oder gar wirkliche Probleme, es geht hier vielmehr um eine Prophezeiung. Schon an dieser Stelle könnte man sagen: "Sie wollten dringend in die Presse, um ihre Spender bei der Stange zu halten, und sie hatten im Moment nichts Besseres."

Auch wenn die Antarktis weit entfernt und eine abschließende Bewertung deshalb problematisch ist, wo steckt überhaupt das Problem bei 10000 Besuchern pro Jahr? Nehmen

wir einmal an, dass jeder dieser Besucher sogar eine ganze Woche bleibt. Auf die gesamte Antarktis bezogen wären das dann 10 Milligramm Mensch pro Hektar und Tag. Dies ist ein anderer Ausdruck für das, was man allgemein als nichts zu bezeichnen pflegt. Die WWF-Sprecherin versucht, aus diesem "nichts" etwas zu machen, indem sie die örtliche und zeitliche Konzentration hervorhebt. Sie tut so, als wenn das die Sache schlimmer macht, eine äußerst gewagte Annahme. Wäre diese Annahme richtig, wären die bei uns gängigen Konzepte zur Öffentlichkeitsarbeit in Naturschutzprojekten nämlich alle falsch. Mit einer Besucherlenkung an bestimmten begrenzten Stellen in Naturschutzgebieten beispielsweise versuchen wir doch gerade, den Druck der Besucher auf das zu schützende Gut zu kanalisieren und abzumildern. Wallnau ist in dieser Hinsicht ein besonders interessantes Beispiel. Wenn die Umstände es denn erfordern, kommen zeitliche Begrenzungen hinzu.

Genau auf diese Weise managen auch die Amerikaner ihre Nationalparke. Der Yosemite Nationalpark in Kalifornien, ein kleiner Teil eines Teils der USA und beileibe kein ganzer Kontinent, hat nicht etwa 10000 Besucher pro Jahr sondern im Durchschnitt des Jahres pro Tag. Anders als mit einem ähnlichen Management wie in Wallnau würden all diese Menschen den Park buchstäblich platt machen. Dieses Prinzip soll in der Antarktis genau die gegenteilige Wirkung haben und aus "nichts" ein Problem machen? Ist es nicht auffällig, dass WWF für seine Kassandra-Meldungen jetzt schon eine Frau beschäftigt, die mit Vornamen Cassandra heißt? Das sieht sehr professionell aus. Übrigens: Vom 1. April war die Ausgabe der "Welt" nicht, sondern vom 29. Januar 1999.