Nr. 15 vom 17. April 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Im November vorigen Jahres haben wir uns an dieser Stelle mit der falschen Behauptung beschäftigt, wir würden mit importiertem Futter den Menschen in Hungerländern das Brot wegnehmen. Aus Hungerländern importieren wir praktisch überhaupt kein Futter. Unser größter Lieferant sind die USA, und auf den nächsten Plätzen folgen Länder, die beim Bruttosozialprodukt immerhin über dem Durchschnitt liegen. Außerdem geht es größtenteils nicht um Stoffe, die in der menschlichen Nahrung einsetzbar sind. Nachprodukte aus der Herstellung von Coca Cola, von Orangensaft sowie Speiseöl etc. bestimmen hier das Bild, Recycling im besten Sinne also. Andererseits ist Europa Exportland für Getreide, umgekehrt wird also ein Schuh draus. Wir konnten so zeigen, dass die Importe aus den USA, Brasilien und Argentinien, den drei Hauptlieferanten, keinen Stoff für den zitierten Vorwurf hergeben. Der viertgrößte Lieferant ist Thailand. Dieses Land beliefert die Europäische Union jährlich mit 5 Mio. Tonnen Tapioka, 90% der hier verbrauchten Menge dieses Futtermittels. Dabei geht es also nicht wie bei den Importen aus den drei amerikanischen Ländern um ein Recyclingprodukt; die thailändischen Bauern bauen die Maniokpflanze, von der die Tapiokachips stammen, extra für den Export an. In Thailand selbst wird Maniok wenig verwendet, weder in der menschlichen Ernährung noch als Futtermittel.

Insoweit könnte das verbreitete Klischee von dem Hunger wegen des Exports von Futtermitteln in diesem Falle also stimmen. Hinzu kommt, dass Thailand in der Statistik zum Bruttosozialprodukt im Gegensatz zu Brasilien, Argentinien und besonders den USA weit unter dem Durchschnitt liegt. Der durchschnittliche Monatslohn eines Arbeiters liegt nur wenig über DM 100,-. Aber Hunger gibt es in diesem Land ebenso wenig wie in den überdurchschnittlich reichen Ländern der Erde. Thailand ist dabei nicht nur ein Exporteur von Futtermitteln. Eine noch größere Rolle spielt der Export von Nahrungsmitteln, insbesondere von Reis. Gemessen an den landwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten ist Thailand nämlich ein reiches Land. Schwemmlandböden von fast unendlicher Ausdehnung, reichlich Wasser und Temperaturen, die die Pflanzen 365 Tage im Jahr wachsen lassen, ermöglichen ausgiebige Ernten. Drei aufeinander folgende Früchte in einem Jahr auf derselben Fläche sind keine Seltenheit. Dabei ist der Reis fast immer eine der Früchte, dazu kommen Erdnüsse, Tabak und so manches anderes. Die Fruchtfolge spielt sich innerhalb eines Jahres ab. Außerdem gibt es ausgedehnte Flächen mit üppigen Dauerkulturen wie Bananen, Zuckerrohr und Ananas. Thailand gehört auch zu den größten Ananas-Exporteuren der Welt. Das Bild vom Hunger stimmt also nicht. Und noch ein anderes Bild ist falsch. Den bei weitem größten Tapioka-Exporteur der Welt stellen sich bei uns viele als ein Land vor, in dem die angebliche "Monokultur" Maniok das Landschaftsbild bestimmt. Maniokpflanzen bekommen die meisten Touristen, auch wenn sie 1000 km von Bangkok nach Norden und 300 km nach Süden fahren bei noch so viel Aufmerksamkeit aber gar nicht zu Gesicht. Die mehrjährigen Sträucher mit den handförmig gelappten Blättern, die oft mit Hanf verwechselt werden und die mit dem Kautschukbaum verwandt sind, findet man fast nur in einigen begrenzten Regionen. Weit westlich von Bangkok nach Burma zu und im Osten an der Grenze zu Kambodscha, wo das Wasser nicht ganz so reichlich ist, wie in den üppigen Ebenen nördlich von Bangkok, wird der Devisenbringer Maniok angebaut. Spricht man die Menschen auf das bei uns verbreitete Hungermärchen an, schauen sie nur fassungslos. Das heißt, sie lächeln fassungslos, denn die Rede ist hier von dem Land, das früher Siam hieß und bei uns auch als das "Land des Lächelns" bezeichnet wird.