Nr. 16 vom 24. April 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Was haben Hühner mit dem Bundesverfassungsgericht zu tun?" Unter dieser Überschrift kommentierte jüngst eine große Sonntagszeitung das Normenkontrollverfahren des Bundesverfassungsgerichtes, bei dem es um einen Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen zur Hennenhaltungsverordnung ging. Die Zeitung kam zu dem Schluss: "Den Bürgern wäre wahrscheinlich mehr gedient, wenn das Gericht seine Arbeitskapazität anderen seit langem wartenden Fragen zuwenden könnte, die Grundrechte des Menschen selbst betreffen...".

Aus der Frage, ob die Sache wirklich vor das höchste deutsche Gericht gehörte, wollen wir uns an dieser Stelle heraushalten. Dazu reicht es nicht, wenn man von Hühnern etwas versteht; man braucht außerdem zur Beurteilung einer solchen Frage die entsprechenden Rechtskenntnisse. Hier soll es um etwas anderes gehen: Die Zeitung äußert sich auch zu Einzelheiten des Verfahrens selbst. Beeindruckend sei die Selbstgewissheit gewesen, mit der Gutachter ihre Erkenntnisse vorgetragen hätten. Das ist eine wichtiger Punkt. Denn, auch wenn man von Hühnern eine ganze Menge versteht, muss man vorsichtig sein, wenn es um die vermeintlichen Empfindungen von Tieren geht, denn fragen kann man sie schließlich nicht. Sicher, wir wissen, dass Hühner in ihrer natürlichen Umwelt ihren angeborenen Trieb zum Scharren ausleben können. Im Käfig funktioniert das nicht.

Aber auch bei der Alternative, der Bodenhaltung, gibt es Defizite dieser Art. In ihrer natürlichen Umwelt, im südostasiatischen Dschungel, lebten die Vorfahren unserer heutigen Haushühner im dichten Unterholz in Gruppen von vier oder fünf Tieren. Ist es da artgerecht, sie ohne eine Gruppentrennung, wie sie z. B. durch Käfige geschieht, zu Hunderten in einem Raum zu halten? Abschließend wird die vielen Fragen, die hier anstehen, niemand mit einer abgewogenen Schlussbeurteilung beantworten können. Die Gutachter der Gegenseite hatten einen schweren Stand, und Argumente zum Eierpreis beispielsweise sind nicht populär. Über Geld spricht man nicht, Geld hat man, oder? Frhr. Heereman hat es einmal so gesagt: "Wenn das Ei 100,– DM kostet, können wir auch für jede Henne ein Einfamilienhaus bauen".

Die zitierte Zeitung hat wohl Recht, wenn sie sagt, dass die gelehrten Argumentationen von Karlsruhe den Hühnern wenig und den "Grünen" vielleicht ein bisschen mehr nützen. Die grüne Ministerin Bärbel Höhn hat sich bei diesem Verfahren sogar zu einer Demonstration hinreißen lassen. Aufgefahren wurde im Gerichtsaal dazu ein Käfig mit ausgestopften Hühnern. "Solches wäre früher bei einem hohen Gericht undenkbar gewesen", sagt der Zeitungskommentator lakonisch. Ja, so ist es wohl. Warum ist es heute nicht nur denkbar sondern durchgeführte Realität? Durchgeführt im übrigen von einer Ministerin. War sie der Meinung, dass die von ihr aufgefahrenen Gutachter mit gesprochenen bzw. aufgeschriebenen Argumenten nicht in der Lage sein würden, die Richter von der Richtigkeit ihres Antrages zu überzeugen? Mussten zusätzlich Emotionen auf die höchsten Richter unseres Landes einwirken? Waren die Argumente der Düsseldorfer Landesregierung so schwach?

Sicherlich ist es übertrieben, hier von einer Gefährdung des Rechtsstaates zu sprechen. Vielleicht waren die Richter auch gar nicht die Adressaten dieser Demo. Denn, dass sie sich von einem solchen Firlefanz beeindrucken lassen würden, ist wohl kaum anzunehmen. Ging es womöglich nur um Öffentlichkeitsarbeit für eine grüne Ministerin oder für ihre Partei? Dann müsste man wohl davon sprechen, dass das höchste deutsche Gericht schlicht missbraucht worden ist.