Nr. 20 vom 22. Mai 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Wenn irgendwann einmal jemand behaupten sollte, das durchschnittliche Lebendgewicht aller

Rinder auf dieser Erde – einschließlich aller Kälber und auch der halb verhungerten Rinder auf dem indischen Subkontinent – belaufe sich auf ca. drei Tonnen, dürfte der, der das gesagt hat wohl blamiert sein "bis zur Steinzeit und zurück". So ignorant, etwas Derartiges zu sagen, ist niemand. Anders liegt der Fall schon, wenn die gleiche Aussage, gründlich umschrieben und nur durch Nachrechnung entschlüsselbar, von einem Präsidiumsmitglied des WWF getroffen wird. Konkret las sich das in einer der größten Zeitungen so: ". . . dass die Erde ein Planet der Rinder ist. Das gesamte Lebendgewicht der mehr als 1,3 Milliarden Rinder, die es gegenwärtig gibt, übersteigt das Lebendgewicht aller Menschen um mindestens das Zehnfache, wahrscheinlich eher um noch mehr." Die 6 Milliarden Menschen dürften so etwa 350 Mio. Tonnen wiegen. Das Zehnfache davon wären 3,5 Mrd. Tonnen.

Hätte Josef H. Reichholf, von dem ist hier nämlich die Rede, einen Blick in die Ernährungsstatistik getan, wüsste er z. B., dass die jährliche Welterzeugung an Rindfleisch bei unter 60 Mio. Tonnen liegt, weniger als zwei Prozent des von Reichholf irrtümlich angenommenen gesamten Lebendgewichtes. Vermutlich hätte er nach soviel Recherche sich nicht mehr zu dem Ausdruck "Planet der Rinder" verstiegen. Und auch die ganze Litanei von Anklagen gegen die Erzeuger von Rindfleisch hätte er sich womöglich gespart, wobei ihm allerdings eine Gelegenheit zur Panikmache entgangen wäre.

Nebenbei: 60 Mio. Tonnen ist zufällig auch etwa die Menge, die allein in Deutschland jährlich an Benzin und Diesel verbraucht wird. Für Reichholf sind nämlich die Großstädte "Inseln der Artenvielfalt im Meer der landwirtschaftlich geprägten Monotonie". Dies sollte er wirklich noch einmal überdenken. Die Landwirtschaft ist nicht, wie er sagt, das "Umweltproblem Nr. 1 in Deutschland." Es stimmt auch nicht, dass ein Drittel aller Rinder in Deutschland "streng genommen auf südamerikanischem Land weidet." Abgesehen davon, dass Reichholf auch hier keine zutreffende Vorstellung von der Größenordnung hat, übersieht er völlig, dass die Sojabohne in Südamerika in erster Linie wegen des sicherlich auch von dem "WWF-Experten" hoch geschätzten pflanzlichen Speiseöls angebaut wird. Das bei der Ölproduktion anfallende Viehfutter ist eigentlich Abfall und wird durch die Verfütterung lediglich einer sinnvollen Verwertung zu-geführt mit übrigens deutlich weniger als "einem Drittel" in den Rationen.

Keinen Gedanken verwendet Reichholf darauf, dass der größte Teil des von ihm so diskriminierten Rindfleisches dadurch entsteht, dass das vom Menschen nicht unmittelbar verwertbare Gras durch Rinder veredelt wird. Er übersieht weiter, dass der größte Teil der auf der Erde erzeugten Rindfleischmengen lediglich Koppelprodukt der Milcherzeugung ist, und gegen die Herodesprämie war WWF doch wohl auch? Den Import von Futtermitteln will Reichholf auf "Null bringen". Würde er die Zusammenhänge wirklich kennen, hätte er das kaum so geäußert. Das größte und wirksamste Recyclingprogramm der Erde würde damit abgeschafft, und in Thailand z. B. würden ganze Landstriche entvölkert. Reichholf vermengt dies alles mit einer Behauptung zur angeblich "ungelösten Problematik der Gülleentsorgung" und einigen unausgegorenen Bemerkungen zu fairem Handel. Man wird ihm bescheinigen müssen, dass er nach dem Motto verfährt: "Wissen ist Macht! Ich weiß nichts, macht nichts." Wenn er schon nicht bereit ist, Ratschläge aus dem Bereich der Landwirtschaft anzunehmen, sollte er wenigstens auf Leute wie die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin hören, die jüngst in Molfsee sagte: "Die klugen Bücher über ein verändertes Konsumverhalten, solidarische Gesellschaftssysteme und gerechte Welthandelsordnungen füllen ganze Bibliotheken. Aber sie füllen keine Bäuche . . .".