Nr. 29 vom 24. Juli 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Der Freiburger Biologe Prof. Dr. Hans Mohr hat eine provozierende These zum Artenschutz vorgetragen. Aufbauend auf der These, wonach aktiver Artenschutz in einer Überflussgesellschaft besser funktioniert als dort, wo der Mensch ums Überleben ringt, kommt Mohr zu einer Verbindung von Artenschutz und der Wirkung der Evolution. Er sagt, solange der Mensch ums Überleben ringe, sei Artenschutz kein Thema. Provozierend dann seine weiteren Äußerungen: "Naturalistisch lässt sich Artenschutz nicht begründen. Die natürliche Evolution ist artenschaffend, aber nicht artenerhaltend. Von den Arten, die im Laufe der natürlichen Evolution auf der Erde gelebt haben, sind weit über 99% wieder ausgestorben, ohne ein Dazutun des Menschen. Vom Standpunkt der natürlichen Evolution aus ist die Arterhaltungsperspektive eine idyllische Ideologie."

Hätte Mohr auf den letzten Satz verzichtet, würde man seine Aussage kaum viel entgegen halten können, denn die Tatsache, dass die Evolution zwar artenschaffend aber nicht artenerhaltend ist, kann niemand bestreiten. Wenn die Evolution eine neue Art schafft, leistet sie damit kaum einen Beitrag zur Erhaltung anderer Arten, jedenfalls nicht per Saldo; denn, die neue Art ist immer auch Konkurrent. Der Sprengstoff kommt in die Aussage dadurch hinein, dass Mohr das Wort von der idyllischen Ideologie gebraucht. Für eine sachliche Diskussion ist eine solche Wortwahl meist gefährlich. Denn, sollte an einer provozierenden These nichts dran sein, stellt man sich um so mehr ins Abseits, je stärker man überzogen hat. Sollte aber tatsächlich etwas dran sein, ist es wenig hilfreich, vorher die Zuhörer verprellt zu haben.

Lassen Sie uns die Sache deshalb von der anderen Seite her aufziehen. Suchen wir zunächst nach Argumenten der Gegenseite. Ein nicht abweisbares Argument ist, dass wir als eine Art unter vielen uns eine Sonderrolle zugemessen haben, indem wir die Umwelt stärker verändern als andere. Hierzu kann man sagen, dass wir - moralisch gesehen - dazu kein Recht haben. Die Frage, ob es in der Evolution überhaupt eine Moral gibt, beantworten wir sicherheitshalber einmal positiv. Jedenfalls lassen wir diesen Aspekt - weil im Zweifel - zunächst gegen uns gelten. Unstrittig richtig ist diese Betrachtungsweise ohnehin immer dann,

wenn wir quasi sinnlos Arten zerstören. Denn, wofür soll etwas gut sein, wenn es uns nicht nützt und ansonsten nur schadet? Damit sind wir aber auf Mohrs Linie eingeschwenkt, ohne seine provokante These von der idyllischen Ideologie übernommen zu haben. Denn, auch er sagt, wenn auch mit anderen Worten: Wir schützen Arten, wenn wir dazu in der Lage sind.

Hinzu kommt, dass die These von der idyllischen Ideologie noch aus einem anderen und aus der Sicht der Menschheit durchaus egoistischen Grund problematisch ist. Auch beim Artenschutz gibt es durchaus ein anthropozentrisch motiviertes Vorsorgedenken. Über dieses Denken können wir uns in der Agenda 21 informieren. Die Agenda besteht aus 40 Kapiteln. Darunter ist das Kapitel 14 dasjenige mit den klassischen land-wirtschaftlichen Inhalten: Steigerung der Nahrungsproduktion durch integrierte Düngung und integrierten Pflanzenschutz. Das Kapitel 16 betrifft auch die Landwirtschaft, indem es positiv Stellung nimmt zur Anwendung der Gentechnologie in der Landwirtschaft. Zwischen beiden befindet sich das Kapitel 15, das in der Agenda die Artenvielfalt behandelt. Nicht zufällig ist es genau dort angesiedelt. Denn auch nach seinem Inhalt ist es deutlich: Die Agenda 21 propagiert den Artenschutz in erster Linie als Schutz der genetischen Ressourcen für eine mögliche zukünftige züchterische Verwendung. Artenschutz und Gentechnologie Hand in Hand zur Erhaltung der Lebensgrundlagen des Menschen, das ist die Philosophie der Agenda 21. Für den einen oder anderen mag sie noch gewöhnungsbedürftig sein, aber sie ist von 178 Staaten so beschlossen.