Nr. 44 vom 6. November 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Aldi hat sich gegen den Verkauf gentechnisch veränderter Produkte ausgesprochen. So ging es jüngst durch die Presse. Suchte man jedoch in den Werbezetteln des großen Discounters danach, fand man nichts. Und auch in der Homepage www.aldi.de gibt es keine Hinweise auf

eine entsprechende Haltung des Vermarkters, weder unter dem Stichwort Qualität der Produkte noch unter Aldi-aktuell. Wo kam es also her?

Greenpeace hatte sich zur Presseabteilung von Aldi gemacht, um seinen Kampf gegen Gentechnologie in der Landwirtschaft auf diese Weise fortzusetzen. Die Spendenkämpfer unter dem Regenbogen hatten Aldi wegen seiner Haltung zur Gentechnologie angeschrieben. Und, wer ist schon gerne im Fadenkreuz dieser militanten Organisation? So gab es denn auch eine Antwort, und zwar so, dass Greenpeace zufrieden war. Und mit dieser Antwort gingen sie dann hausieren. So kam Aldi mit dem Thema, ohne selbst eine Presseverlautbarung herausgegeben zu haben, in die Presse.

Was aber hatte man genau geantwortet? In den von Aldi verkauften Produkten seien keine gentechnisch veränderten Organismen enthalten, so entnahm man es jedenfalls den Verlautbarungen von Greenpeace. Was nun besagt das? In der Biologie bezeichnet man einen Organismus als ein Lebewesen oder genauer als einen ein- oder mehrzelligen belebten Naturkörper. Das kann eine vollständige Pflanze sein wie ein Getreidehalm nebst Wurzel und Ähre oder auch ein Baum. Das kann ein Saatkorn sein, wie es sich z. B. in einer Tomatenfrucht befindet. Speiseöl aber ist kein Organismus und gekochter Mais in der Dose auch nicht. Und schon gar nicht sind es die Baumwollfäden, aus denen die Kleidungsstücke hergestellt wurden, mit denen Aldi gelegentlich handelt. Aber auch Käsestücke aus der Produktion mit gentechnisch hergestelltem Ferment sind eben so wenig wie die Fermente selbst als Organismen zu bezeichnen. Da Aldi mit keimfähigen Sojabohnen, Rapskörnern oder Maiskörnern nicht handelt und gentechnisch veränderte Tomaten bei uns noch nicht verfügbar sind, ging Aldi mit seinem Brief an Greenpeace also kein großes Risiko ein.

Hinzu kommt, dass bei uns praktisch noch keine Herstellung gentechnisch veränderter landwirtschaftlicher Produkte existiert, anders als z. B. in USA. Dort stieg der Flächenanteil in den letzten Jahre rasant. Bei Baumwolle sollen es inzwischen zwei Drittel der Fläche sein. Und glauben Sie ja nicht, dass die Textilhersteller für Aldi auf Südostasien ausweichen können, um der gentechnisch veränderten Baumwolle zu entgehen. In China stehen acht Mio. ha Baumwolle aus gentechnisch verändertem Saatgut, mehr als die gesamte deutsche Getreidefläche. Im übrigen wird man dort einkaufen, wo das Preis/Leistungsverhältnis stimmt, so kennen wir den Konzern.

Es könnte sein, dass die rasante Ausdehnung der Flächen im kommenden Jahr auch in den USA einmal stagnieren wird, verlässliche Prognosen sind im Augenblick schwer zu bekommen. Aber in den letzten drei Jahren ging es Schlag auf Schlag. Bei Sojabohnen waren es 1997 12%, 1998 42% und 1999 57% der Anbaufläche. Bei Mais stieg der Anteil von neun über 27% auf 38%. Fachleute rechnen für das Jahr 2000 bei Mais mit einem leichten Rückgang, bei Sojabohnen aber mit einem weiteren Anstieg. Schon im Wirtschaftsjahr 1996/97, so errechneten Ökonomen in den USA, haben die dortigen Farmer fast 300 Mio. Dollar dadurch mehr verdient, dass sie gentechnisch verändertes Saatgut einsetzten. Höhere Erträge und niedrigere Kosten, des einen Zugewinn ist im Wettbewerb der Verlust des anderen. Ganz kalt lassen kann uns die Sache also nicht. Und die Chancen, von unseren Verbrauchern für gentechnikfreie Ware höhere Preise zu bekommen, muss man wohl als bescheiden einschätzen, Aldi jedenfalls wird sie nicht bezahlen.