Nr. 46 vom 20. November 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

50000 km Knicks haben wir in Schleswig-Holstein. Gegenüber dem Höchststand von ca. 70000 km gab es bis zum Verbot der Knickbeseitigung einen Rückgang, seit vielen Jahren aber nicht mehr. Gänzlich falsch ist es deshalb auch, wenn in einem Schulbuch für das 8. Schuljahr steht: "Das Heckennetz wurde ersatzlos beseitigt." Man kann nur froh sein, wenn unsere Schüler sich in diesem Fall leicht davon überzeugen können, dass die Wirklichkeit anders aussieht. So leicht ist das nicht immer, und die Schulbücher tragen in nicht geringem Maße zu dem falschen Bild über Landwirtschaft bei, das in Deutschland verbreitet ist.

50000 km sind auch nicht etwa wenig. Unser Knicknetz ist in dieser Form nicht nur weltweit einmalig, es ist ökonomisch betrachtet auch recht umfangreich. Selbst wenn man die Mindererträge in Knicknähe außer Betracht lässt und auch die Kosten für die Pflege, bleiben ca. drei bis vier Meter gänzlich ungenutzte Fläche. Bei vier Metern wären es immerhin 20000 ha, das Dreifache dessen was sich mit staatlicher Förderung in Extensivierungsprogrammen befindet, bei drei Metern immerhin noch mehr als das Doppelte. Selbst wenn man als Wert nur den Pachtpreis ansetzt, geht es um mehr als 10 Mio. DM bzw. 7,5 Mio. DM jährlich. Landwirte können da in der Diskussion um Naturschutz durchaus selbstbewusst sein. Sie haben sich auf diesen Zustand auch eingestellt, niemand fordert die rechtliche Möglichkeit zur weiteren Verringerung des Knicknetzes. Ein mindestens eben so großes ökonomisches Problem kommt aber noch hinzu, und da gibt es vielleicht Lösungsmöglichkeiten. Auf einer Exkursion des VDL Schleswig-Holstein nach Sachsen-Anhalt hat es Prof. Gravert einmal auf den Punkt gebracht. Als die Landwirte aus Schleswig-Holstein die großen Betriebseinheiten der ostdeutschen Berufskollegen neidvoll betrachteten, sagte Gravert: "Unser Hauptproblem sind nicht die zu kleinen Betriebe, unser Hauptproblem sind die zu kleinen Schläge." Unser Knicknetz entspricht dem Technisierungsgrad der fünfziger Jahre und dem entsprechend sind auch die Wettbewerbnachteile, die daraus erwachsen. Man sollte also nach Wegen suchen, diese Nachteile zu verringern ohne die ökologische Wertigkeit des Knicknetzes insgesamt zu beeinträchtigen. Es kann an dieser Stelle kein ausgefeilter Vorschlag gemacht werden. Aber Lösungsansätze gibt es genug und in Einzelfällen hat es auch schon gelöste Fälle in der Praxis gegeben, mit Knickversetzungen zu Doppelknicks wie bei einem Redder oder gar zu solchen mit dazwischen liegenden mehr oder weniger breiten Sukzessionsstreifen. Der Knickerlass des Kieler Umweltministeriums bescheinigt solchen Konstruktionen eine doppelte bis vierfache Wertigkeit im Vergleich mit einfachen Knicks.

Mehrere Hemmnisse gibt es aber dabei. Die versetzten oder neu angelegten Knicks werden im Erlass für sich genommen mit einer verringerten Wertigkeit angesetzt, so dass der Flächenverbrauch unter Umständen noch weiter steigt. Diese Erlassregelung beruht darauf, dass die Vegetation sich regenerieren muss. Übersehen wird dabei aber, dass dies nur eine Frage der Zeit ist, denn irgendwann ist jeder Knick einmal neu entstanden. Hinzu kommt, dass im Zuge solcher Maßnahmen Mängel des alten Knicks wie z.B. Erosionsabtrag beseitigt werden können. In vielen Fällen wird die Vegetation auch schon nach kurzer Frist gegenüber dem ursprünglichen Zustand verbessert. Ein weiteres Hemmnis besteht darin, dass die Entscheidungswege zu lang und kompliziert sind. Geht es um mehr als 50 m Knick, was 0,0001% des landesweiten Bestandes entspricht, muss sogar das Flintbeker Landesamt tätig werden. Man stelle sich vor, es ginge eines Tages um ein Prozent des Bestandes, Flintbek hätte dann 10000 Fälle zu entscheiden, 30 pro Tag, alle 16 Minuten einen. Zu prüfen ist nach der heutigen Gesetzeslage auch in jedem Fall die Frage, ob eine "unzumutbare Härte" vorliegt. Es reicht doch wohl aus, wenn Ökonomie und Ökologie beide verbessert werden, was soll da noch die Forderung auf unzumutbare Härte?